Jakobsweg – mein Mikroabenteuer in Corona Zeiten
Es ist 4:30 Uhr als mein Wecker an diesem Morgen klingelt. Etwas müde aber voller Vorfreude stehe ich auf, packe meine 7 Sachen zusammen und mache mich auf den Weg zum Hauptbahnhof in Frankfurt. Heute steht mein Mikroabenteuer auf dem Plan: eine Teiletappe des Jakobsweg und zwar in meiner Heimat – also ab Richtung Süden. Ich nehme euch mit auf meinem Weg über Stock und Stein, durch kleine Orte, wunderschöne Waldwege und freie Felder. Ein Tag, der mich sowohl physisch als auch psychisch an meine Grenzen bringt.
Der Jakobsweg – was ist das eigentlich?
Der Jakobsweg – der bekannteste Pilgerweg Europas. Nach der Hinrichtung des Jakobus, einem der zwölf Jünger Jesu, stahlen zwei seiner Freunde den Leichnam und verschifften ihn im Hafen von Jaffa. Sieben Tage lang war er mit einer Besatzung von unsichtbaren Engeln im Mittelmeer unterwegs, bis das Schiff an der Atlantikküste Galiciens strandete. Der leblose Körper wurde auf einen Ochsenkarren verladen und an dem Ort begraben, an dem sich die Ochsen niederließen: Santiago de Compostela.
So schildert eine Legende im Jakobsbuch aus dem 12. Jahrhundert den Ursprung der bekanntesten Pilgertradition Europas. Im Mittelalter war der Weg zum Grab des Apostels ein Ziel christlicher Pilgerfahrt und verzweigte sich immer mehr über den Kontinent. Nach der Wiederbelebung der Tradition in den 1970er Jahren erhob der Europarat 1987 die Wege der Jakobs-Pilger zur europäischen Kulturroute; der spanische Hauptweg wurde 1993 in das UNESCO-Welterbe aufgenommen.
Jakobswege ein Deutschland
Ein altes Pilgersprichwort: „Der Jakobsweg beginnt vor deiner Haustüre.“
Viele verbinden den Jakobsweg ausschließlich mit Spanien, vielleicht noch mit Ländern wie Portugal oder Frankreich, aber Jakobswege in Deutschland?
Und dabei gibt es über 30 Jakobswege alleine in Deutschland. Die Wege sind verschieden lang, laufen ineinander und sind so wunderbar zu kombinieren. Theoretisch kannst du auf diese Weise über verschiedene Jakobswege von Norddeutschland bis Süddeutschland und weiter über die Schweiz und Frankreich bis nach Spanien und nach Santiago de Compostela pilgern. Oder wer mag, kann einfach auch nur einzelne Teiletappen wandern.
«Jakobsweg von Rothenburg o.d.T. bis Rottenburg a.N.»
Mich zieht es heute in meine Heimat, in den Süden Deutschlands, Baden-Württemberg. Direkt an meinem Heimatdorf “Neckartailfingen” verläuft der Jakobsweg in Richtung Tübingen und weiter nach Rottenburg a.N. Starten werde ich allerdings auf dem Jakobsweg von Neresheim bis Rottenburg, er ist eine Querspange und verbindet die beiden Wege. Denn er mündet bei der Jakobuskirche Bodelshofen in den Weg von Rothenburg o.d.T bis Rottenburg a.N.
Die Idee kam spontan und sollte eine Art Vorbereitung für meinen Urlaub in Deutschland werden. Denn momentan stehen jegliche Reisepläne kopf, dank Covid-19 bzw. dem Corona Virus, und eine Alternative musste her.
Tipp: Solltet ihr auf der Suche nach einer Packliste sein, schaut doch gerne mal bei Heiko und Franz von Lebensabenteurer.de vorbei, hier findet ihr einige nützliche Tipps für euer Reisegepäck als Pilger.
Ich wollte fühlen, spüren und erleben was es heißt alleine unterwegs zu sein, über Stock und Stein zu wandern und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Nicht nur, um in Zeiten von Corona auf andere Gedanken zu kommen, auch als kleinen Test, denn der Camino de Santiago, am liebsten von Portugal bis Santiago de Compostela steht schon lange auf meiner Wunschliste. So steige ich also von Stuttgart aus nochmal in die Regionalbahn und mache mich ab Plochingen auf in mein kleines Mikroabenteuer.
Teiletappe Plochingen bis Frickenhausen
Da die Idee auf dem Jakobsweg zu pilgern spontan war, war die Recherche dazu recht kurz. Aber eines wusste ich, 28 km stehen auf den Plan.
Plochingen nach Wernau (ca. 3 km)
Es fängt an zu regnen als ich aus der Regionalbahn in Plochingen steige. Ein letzter Check, Handy aus, Kopfhörer verstaut und so mache ich mich auf den Weg in Richtung zur Gaststätte Waldhorn, meinen ersten Anlaufpunkt. Weiter geht es durch die Fußgängerzone und über den Neckar, an dem ich flussaufwärts ein großes erstes Stück hinter mich bringe.
Schon die ersten Meter sind ein Wechselbad, nicht nur gefühlstechnisch, auch der Regen wird stärker und ich packe meinen Regenschirm aus. Und es gibt wahrscheinlich kaum einen Menschen der Regen so verabscheut wie ich, eine echte Probe und das gleich zu Anfang.
Wernau, über Bodelshofen nach Ötlingen (ca. 7 km)
Nachdem die Strecke nach Wernau gefühlstechnisch und wettertechnisch echt anstrengend war erwartet mich nun ein landschaftlich wirklich toller Weg. Über Wiesen und Felder geht es über Bodelshofen nach Ötlingen an der wunderschönen Golfanlage Kirchheim-Wendlingen vorbei.
Die ersten 10 km sind geschafft und mein Bauch schreit nach Frühstück. Da viele Läden auf Grund von Covid-19 geschlossen haben und sich bei denen die geöffnet haben, lange Schlangen bilden, habe ich meinen Proviant dabei. Nur Wasser kaufe ich hier und da mal nach, denn zu viel Gepäck auf dem Rücken macht muss ja nicht sein. Mein Rucksack wiegt an diesem Tag übrigens 8 kg und ist damit echt angenehm zu tragen.
Ötlingen nach Reudern (ca. 7 km)
Der Weg von Ötlingen führt mich raus aus dem kleinen Städtchen, rein in die Natur. Das Wetter spielt mit und der Regenschirm kann im Rucksack bleiben. Von kompletter Stille umgeben geht es durch den Wald, außer mir keine Menschenseele – nicht einmal Spaziergänger. Dies ist glaube ich ein riesengroßer Unterschied zu den bekannten Wegstrecken des Camino in Spanien und Portugal, denn dort einen Tag fast völlig alleine zu wandern stelle ich mir nahezu unmöglich vor.
Reudern nach Frickenhausen (ca. 7 km)
Die letzte Etappe meines heutigen Weges und siehe da, die Sonne kommt raus! Gegen Nachmittag kann ich die Regenjacke verstauen und die Sonnenbrille auspacken, herrlich! Aber mit dem guten Wetter werden auch die Spaziergänger, Jogger und gleichgesinnte Wanderer mehr, aber immer noch sehr überschaulich.
Frickenhausen nach Nürtingen (ca. 5 km) – nicht mehr Teil des Jakobsweg
Von Frickenhausen verläuft der Jakobsweg weiter nach Großbettlingen, Altdorf und Neckartailfingen. Dort trifft er wieder auf die zweite Variante des Weges, die durch das Remstal, Esslingen und weiter in das Neckartal führt.
Die Füße brennen, ich bin ganz schön geschafft, aber super happy! Ich hab es einfach gemacht. Manchmal muss man Dinge einfach machen, ohne groß zu planen und zu viel darüber nachzudenken.
Die Sonne lacht, als ich meine letzten Kilometer durch das wunderschöne Tiefenbachtal in Nürtingen laufe.
Das erste Mal auf dem Jakobsweg: Und wie war´s?
30 km und rund 8 Stunden später, eine Erfahrung reicher, viele Gedanken leichter und völlig abgeschlagen komme ich an meinem heutigen Ziel an. Eine unheimliche Euphorie begleitet mich auf den letzten Metern und ich weiß, das wird nicht mein letztes Mal auf dem Jakobsweg gewesen sein!
Falls du auch Lust hast einen derJakobswege zu entdecken, kann ich dir die kleinen gelben Bücher „Outdoor“ vom Konrad Stein Verlag empfehlen. Sie wiegen nicht viel und enthalten dennoch jede Menge nützliche Tipps.
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7 Comments
Dein Bericht erinnert mich an meine Regionalpark-Rundroute 2015. Da läuft man stellenweise auch den Jakobsweg, denn auch rund um Frankfurt gibt es den.
Mein ursprünglicher Plan war damals allerdings die Bonifatiusroute von Mainz bis Fulda, da der Weg meiner Ansicht nach aber schlecht ausgeschildert war und ich immer wieder falsch lief, entschied ich mich nach dem zweiten Tag die Rundroute zu laufen.
Es war anstrengend, aber irgendwie auch cool. Und es hat mir sehr viel gebracht, denn danach habe ich mich getraut, meine große Soloreise nach Australien anzutreten.
Willst du denn noch weitere Teilstrecken in Deutschland laufen?
Liebe Grüße
Liane
Liebe Isa,
Da warst Du ja in meiner Heimat unterwegs! Dieselbe Idee habe ich auch gerade und möchte ein Stück pilgern. Wir haben letzten Sommer den Donau-Randen-Pilgerweg entdeckt. Vielleicht klappt es ja schon in den Pfingstferien.
Viele Grüße von Sanne
Liebe Isabelle,
das ist ja eine ordentliche Tagesetappe! Wir machen gern kürzere Touren und treffen hier im Schwarzwald auch immer wieder auf den Jakobsweg. Gestern erst auf den Jakobusweg. Ich weiß allerdings nicht, ob das nur eine andere Schreibweise ist. Auf jeden Fall war auch eine Muschel das Symbol.
Liebe Grüße
Gabriela
Eine super schöne Idee, gerade jetzt in Corona-Zeiten eine Auszeit beim Wandern zu nehmen.
Deine Etappe war echt ordentlich für einen Tag, aber anders ist es aktuell nicht zu realisieren.
Direkt bei uns geht auch ein Stück Bayrischer Jakobsweg vorbei und so kenne ich bereits eine Idee für diesen Sommer. DANKE 🙂
Liebe Grüße, Katja
30km in 8 Stunden mit 8kg Rucksack (soviel wiegt mein Kamerarucksack auch) finde ich aber schon mal recht stattlich, Respekt 🙂 Das schaut auf alle Fälle recht interessant aus finde ich und gerade jetzt während dieser blöden Corona-Phase ist es eine klasse Alternative, finde ich. Gerne mehr davon!
Lieben Dank für den Reminder. Seit Jahren will ich eigentlich schon auf dem Jakobsweg, in Deutschland, mal eine Teilstecke abwandern. Vor allen Dingen, da er auch fast vor meiner Haustür vorbeiführt. Vielleicht setze ich das jetzt endlich mal in die Tat um… wenn nicht jetzt wann dann???
Liebe Grüße
Tanja
Liebe Isabelle,
einmal auf dem Jakobsweg zu laufen ist auch ein lange gehegter Traum von mir!
Ich bin gespannt, wann ich ihn mir erfüllen kann!
Jedenfalls macht dein Bericht Lust, daran festzuhalten 🙂
Liebe Grüße