Mein Sabbatical hat sich aufgrund eines Unfalls beim Gleitschirmfliegen nochmal um einige Wochen nach hinten verschoben, was heißt, dass ich mich bis Anfang Oktober in Deutschland aufgehalten habe und es nach und nach Herbst geworden ist. Ja, und der Herbst im Van in Deutschland bringt noch einmal ganz andere Herausforderungen mit sich. Welche das sind und was ich nach 3 Monaten leben auf engstem Raum für ein Resümee ziehen kann zeige ich euch heute.
Seit ich Anfang Juni 2021 in “Vollzeit Vanlife: Warum, wieso, weshalb?” berichtet habe, warum das Model Vollzeit im Van zu leben für mich so attraktiv ist und ich mich dafür entschieden habe, ist nochmal einiges passiert.
Key Facts:
- Meine Wohnung in Frankfurt habe ich komplett aufgegeben und besitze nun noch genau 8 Kartons, ein Bett und eine Kommode die in Frankfurt eingelagert sind.
- Die erste Woche im Van war eine absolute Katastrophe. Tagelanger Regen, alles feucht und klamm in Makani und die ersten Zweifel an meiner jetzigen Lebenssituation.
- Im August habe ich angefangen meine Gleitschirmlizenz zu machen und habe mir beim zehnten Höhenflug den ersten Lendenwirbel gebrochen. Demnach war ich die letzten Wochen etwas ausser Gefecht gesetzt.
- Aufgrund ständiger Arzttermine und Physiotherapie war ich bis Anfang Oktober in Deutschland und nicht wie gedacht schon seit 1. September auf den Weg Richtung Süden.
- Der Herbst kommt in schnellen Schritten auf uns zu, Anfang Oktober gab es schon sehr kalte Nächte im Van.
- Glücklicherweise hat der Doc sein go gegeben, dass ich Anfang Oktober endlich starten konnte. Auch wenn an Sport, vor allem Kitesurfen und Gleitschirmfliegen dieses Jahr wohl nicht mehr zu denken ist.
- Wichtigste und vielleicht auch überraschende Neuigkeit: Makani & ich sind nicht alleine gestartet. Zusammen mit Sascha und seinem Bus Walther sind wir seit Oktober unterwegs.
- Es gibt auch ein neues Projekt: 8RAEDERKUECHEBAD – kurz: 8RKB – hier erfahrt hier mehr über uns, unsere Reise mit zwei Vans, das Leben als Pärchen im Bus, unserem Alltag auf Reisen und unsere Reiseroute. Schaut gerne auch mal hier vorbei: Vanlife – gemeinsam unterwegs in Europa
So nun aber genug Fakten, auch wenn es echt verrückt ist was in ein paar Wochen alles passieren kann. Dennoch habe ich in den ersten 3 Monaten im Bus super viel erlebt, einige Situationen haben mich vor Herausforderungen gestellt, andere mich strahlen lassen. Aber was ist es denn nun, was mich auf der einen Seite so glücklich macht und auf der anderen immer wieder an meine persönlichen Grenzen bringt?
1. Ordnung halten, gar nicht so einfach auf 6qm
Auch wenn ich mich von vielem getrennt habe. Nicht nur Möbel, auch Kleidung, Bücher und jeglicher Schnickschnack sind nicht mit in Makani eingezogen. Dennoch habe ich einiges im Bus, größter Teil ist wohl meine Kiteausrüstung, aber auch ein paar Klamotten (2 Kisten á 40x60cm), 5 paar Schuhe, 4 Bücher, ein bisschen Elektrozubehör, diverse Küchenartikel und Lebensmittel mit an Bord genommen.
Tja und eigentlich ist jeden Tag aufs Neue die erste Aufgabe, vielleicht nach dem Kaffee kochen: Ordnung schaffen – entweder für´s eigene Wohlbefinden oder auch um weiterzufahren.
2. Abschalten und runterfahren – „To Dos, Routinen, Tagesplan?“
“Du musst noch” – Ähm, warte – nein, ich muss gar nichts – viele würden sich wünschen diesen Satz öfter mal auszusprechen. Dann kommst Du in die Luxusposition keine To Dos zu haben und auf einmal fehlen Dir die Aufgaben und Deine Routinen.
Und auch wenn ich die ersten zwei Monate bis zu meinem Unfall, noch aus dem Bus (vollzeit) gearbeitet habe, es war anders – völlig anders.
Wenn es morgens regnet gibt es kein Yoga vor der Arbeit, duschen morgens hinter dem Bus ist ebenfalls eher suboptimal. Auch stundenlanges Telefonieren und im Kreis durch die Wohnung laufen fällt weg.
Nachdem ich dann ins Sabbatical gestartet bin, kam das Gefühl dazu nicht mehr gebraucht zu werden. Keine Gespräche mit Kollegen, kein Feedback, keine Projekte, nichts mehr was den Kopf den ganzen Tag beschäftigt. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier und so langsam fange ich an genau dieses Gefühl zu genießen.
3. Familie, Freunde und Kollegen – Reaktionen auf meine neue Lebenssituation
Freunde und Familie kannten meinen Plan von Anfang an und die Reaktionen waren gemischt. Ich persönlich denke, sie haben sich gar keine wirklichen Gedanken darum gemacht was es heißt in einem Bus (H1L1) zu wohnen, keinen festen Wohnsitz mehr zu haben und alles bei sich zu haben was man noch seinen Besitz nennen kann.
Als es dann soweit war, kamen die ersten Nachfragen von den Kritikern und die ersten Ermutigungen von den Befürwortern.
Was das Geschäftliche angeht war ich mir bis zum Schluss unsicher wie viel ich erzählen soll. Als Juristin wird man ja auf der einen Seite meist gleich zu Anfang in eine Schublade gesteckt und auf der anderen Seite ist das Berufsbild „Jurist“ nach außen auch ein sehr konservativ.
Aber ohne mir groß einen Plan zu machen habe ich es einfach laufen lassen. Wer mich nach meinen Plänen für das Sabbatical gefragt hat, hat eine ehrliche Antwort bekommen. Wer mehr Details wissen wollte dem habe ich es gerne ausführlich erzählt und ich war überrascht, positiv überrascht über die Reaktionen. Fast durch die Bank weg waren Kollegen jedes Alters begeistert, haben mir Mut zugesprochen und den Hut gezogen vor meiner Entscheidung. Nachdem ich das ein wenig hab sacken lassen, konnte ich mich freuen, richtig freuen.
Und hier mein Appell an alle die vielleicht ähnliche Pläne haben und oft das Gefühl haben sie wären anders: Anders zu sein ist nichts Schlechtes. Die meisten Menschen haben Respekt vor solch einer Entscheidung und sind eher neidisch als dass Sie es verurteilen würde.
4. Wäsche waschen, Wasser auffüllen, Strom und Lebensmittel
Waschsalons
Wusstet ihr, dass es fast überall Waschsalons gibt? Ich nicht. Zumindest in Deutschland sind mir diese kaum aufgefallen. Wahrscheinlich deshalb, weil ich sie nie gebraucht habe. Erst war es etwas befremdlich seine Kleidungsstücke in eine, von anderen Menschen genutzte Waschmaschine zu legen, aber ganz ehrlich? Es gibt definitiv Schlimmeres. Für rund 5 Euro bekommt man 6 kg Wäsche gewaschen und die Erfahrung zeigt, es macht Sinn abends oder früh morgens zu waschen, da nicht so viele Leute im Salon sind, zumindest falls es Dein Tagesablauf zulässt. Die meisten Waschsalons haben auch Tockner, für 1-2 Euro läuft er 6-12 Minuten.
Wasser auffüllen
Während es im Ausland oft an Tankstellen, Campingplätzen oder in großen Städten Wasser für einen kleinen Unkostenbeitrag oder sogar kostenlos gibt, ist das in Deutschland etwas komplizierter. Manche Campingplätze lassen nur Gäste auffüllen, Tankstellen haben meist keine Möglichkeit den Tank zu füllen, und öffentliche Stellen gibt es wenige. Hier habe ich größtenteils auf Freunde und Bekannte zurückgegriffen. Allerdings gibt es auch Möglichkeiten, Wasser aus Seen oder Flüssen zu entnehmen, am besten mit einem Wasserfilter.
Strom
Ich habe das Glück eine 200 Watt starke Solaranlage auf dem Dach und einen Wechselrichter (für 24 Volt Strom) an Bord zu haben. Sogar an grauen Tagen reicht der Strom locker für Kühlschrank, USB Steckdose und das Laptop wird auch einmal vollgeladen. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit von mehreren Batterien an Bord oder Solarpanelen zum Aufstellen. Da ich kein Energie- Elektroprofi bin möchte ich hier keinen wirklichen Rat aussprechen. Was ich aber sagen kann, ich bin happy mit meiner Solaranlage auf dem Dach und möchte sie nicht missen, Strom macht doch den ein oder anderen Tag einfacher.
Lebensmittel
Wenn man kaum Platz und auch nur eine Kochplatte zur Verfügung hat, dann ist das erst einmal eine Umstellung. Auf der einen Seite heißt das, dass man so alle zwei Tage mal in einen Supermarkt muss, auf der anderen Seite, dass es hier und da entweder ein echt einfaches Gericht gibt oder man sich auch mit einem Vesper anfreundet. Ich selbst bin ein großer Fan von One-Pod-Gerichten geworden, denn es gibt echt super leckere Sachen. Das Internet ist voller guter Rezepte. Aber auch ein ausgiebiges Vesper mit Oliven, Käse, frischem Brot und Rohkost aller Art ist ganz weit oben auf meinem Speiseplan.
5. Stellplätze finden und autark stehen
Was in manchen Ländern strengstens verboten ist, wird in Deutschland geduldet. Natürlich gibt es auch Länder in denen es gar kein Problem ist autark zu stehen.
In Deutschland, je nach Region ist es manchmal einfach, manchmal eher unmöglich. Je nach Anspruch lässt sich aber immer ein Plätzchen finden, wenn auch nicht immer mit Blick auf´s Wasser und totenstill nachts.
Neben Apps wie P4N, Camperstop oder Campercontact lohnt es sich ab und an auch mal Google Maps zu nutzen und selbst auf die Suche zu gehen. Dies erfordert allerdings ein wenig Zeit und bringt vielleicht auch den ein oder anderen Misserfolg mit sich. Aber eins kann ich euch sagen, man wird besser und lernt aus jeder Situation wieder dazu.
Vollzeit im Van
Schlussendlich muss ich sagen, ich habe die Entscheidung meine Wohnung aufzugeben und mich auf das Abenteuer Fulltime Vanlife noch keinen Moment bereut, auch wenn ich es ab und an hinterfragt habe. Man sollte öfter auf seinen Bauch, den Instinkt und sein Gefühl hören und einfach mal machen – könnte ja gut werden.
Lesetipp:
- Van kaufen – 8 Fragen die Du dir unbedingt vor der Anschaffung stellen solltest!
- Sabbatical: Weltreise, Corona und ein (erstmal) geplatzter Traum.
- Herzensprojekt lustloszugehen: Was war, was ist, was kommt.
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