Linus, während du bei über 25 Grad in Martinique in der schönen Karibik bist, frieren wir bei ca. -10 Grad und 25 Zentimeter Neuschnee in Deutschland. Schön, dass Du dir dennoch Zeit nimmst!
1. Erzähl uns doch ein bisschen was über Dich und wie Du zum Kiten gekommen bist.
Ich bin Linus Erdmann, 24 Jahre alt und gerade frisch gebackener Papa. Zum Kiten bin ich über meinen Vater gekommen. Zunächst mit 6 Jahren zum Wakeboarden und Windsurfen, mit 9 Jahren dann zum Kiten. Ziemlich schnell wurde das Kitesurfen dann zu meinem Lieblingssport und auch heute hänge ich noch leidenschaftlich gerne am Kite.
Ich darf mich stolz 6-facher Deutscher Meister im Freestyle nennen, was mich sehr glücklich macht. Allerdings gibt es natürlich international gesehen viel Konkurrenz, was es aber super spannend macht und auch immer wieder neuen Ansporn gibt.
2. Wie kam der Sprung vom Hobby zum Profi-Kiter? Wann war klar, dass Wettbewerbe für Dich in Frage kommen?
Das hat sich automatisch ergeben nachdem ich am Junior Pro-Camp teilgenommen habe. Dort gab es die Wildcard für die ersten drei Plätze, mit der man kostenlos an der deutschen Meisterschaft teilnehmen durfte. Und mit Platz drei konnte ich mir die Eintrittskarte für die deutsche Meisterschaft sichern. Das war der Auslöser und der Beginn von allem Anderen.
3. Was war Deine Kite-Disziplin mit der du in Wettbewerben gestartet bist?
Freestyle war die gängige Disziplin, wobei die Tricks sehr breit gefächert waren. Sowohl ein- als auch ausgehakte Tricks, aber der Fokus lag schon auf Wakestyle, also angelehnt an das Wakeboarden mit ausgehakten Tricks. Solche Moves gaben einfach meist mehr Punkte als einfache Old School Tricks wie “einfache hohe Sprünge” oder board-offs.
4. Hast Du dich auch noch in anderen Disziplinen probiert?
Eigentlich war ich schon in fast allen Disziplinen im Kitesurfen aktiv. Zum Beispiel habe ich 2014 in Kapstadt am King of the Air teilgenommen oder habe auch schon den ein oder anderen Wettbewerb im Hydro-Foil-Racing absolviert. Auch an der Mega-Loop Challenge von Red Bull in Zandvoort 2015 habe ich teilgenommen.
5. Fährst Du auch im klassischen Liga Format?
Ja, die Disziplin Freestyle und Strapless Freestyle sind unter der GIKA organisiert und für das Racing.
6. Meinst Du wir brauchen Wettkämpfe und das zugehörige Liga System?
Ich denke es ist wichtig für die Anerkennung in der Szene, das Level zeichnet sich in solchen Wettkämpfen einfach ab. Außerdem legen viele Sponsoren sehr viel Wert auf gute Platzierungen ihrer Fahrer und motivieren mit dem ein oder anderen zusätzlichen Preisgeld. Da die meisten Wettkämpfe nichts abwerfen, im Gegenteil, es wird oft eine Startgebühr verlangt und da Kost & Logie ebenfalls selbst zu organisieren ist, ist das natürlich für die Fahrer eine zusätzliche Motivation.
7. Was war Dein Highlight bezogen auf Events?
Definitiv King of the Air in Kapstadt. Die Vibes die hier am Strand herrschen sind kaum beschreibbar. Die Zuschauer hatten unheimlich viel Spaß, waren in wirklicher Feierlaune und das gibt einem als Teilnehmer auch nochmal eine extra Portion Motivation. Das Zujubeln und die Mitfreude waren echt ein unbeschreiblich gutes Gefühl.
8. Nun gibt es ja auch Events, die für Zuschauer kein wirklicher Spaß sind, wie z.B. der Mega-Loop in Zandvoort. Das Event findet meist im Herbst statt bei richtigem Sturm und bei niedrigen Temperaturen. Mit Snowboardbrille am Strand zu sitzen und zuzuschauen ist nicht ganz so angenehm für die Besucher. Wie geht es Dir als Fahrer bei einem solchen Event?
Das geht den Teilnehmern nicht anders. Es ist super kalt, graues Wetter und dennoch versucht man natürlich seinen Fokus nicht zu verlieren. Aber die Stimmung ist auch bei den Fahrern gedrückt, hier versuchen die Fahrer einfach abzuliefern.
9. Verletzungen beim Kiten – was war die schlimmste Verletzung die Du vom Kiten mitgenommen hast?
Bislang hatte ich Glück, ich hatte außer eine kleine Zerrung oder ähnliches noch nichts was mich mehr als ein paar Tage vom Kiten abgehalten hat. Die schlimmste Verletzung habe ich tatsächlich vom Motorradfahren mitgenommen.
10. Nochmal zu Deiner Karriere: Wie schnell kamen denn dann die ersten Sponsoren auf Dich zu?
Mit 11 Jahren habe ich das erste Sponsoring von Slingshot bekommen, allerdings ging es hier erst einmal nur um ein wenig Promotion, also um Material. Da ich aber noch sehr jung war und es wenig Konkurrenz gab, war klar, dass es hier noch mehr Firmen gibt die diese Sportart unterstützen möchten. In Summe war ich dann 4 Jahre bei Slingshot. Red Bull kam dann erst mit 14 Jahren auf mich zu, haben mich supportet aber ohne offizielles Branding. 2-3 Jahre später kam dann das offizielle Branding von Red Bull, nachdem sie mich einige Zeit begleitet hatten.
11. Red Bull steht ja oft in der Kritik was den Umgang mit ihren Fahrern angeht. Gibt es hier Vorgaben oder hat Red Bull versucht Einfluss auf deine Tricks und Moves zu nehmen?
Nein, so konnte ich das bislang nicht wahrnehmen. Aber wenn man den finanziellen Backround hat kommt man natürlich recht schnell auf die Idee jeglichen Unsinn, teilweise auch halsbrecherische Tricks und verrückte Sachen zu machen. Oft sind es wir Fahrer die sich selbst überschätzen. Als Athlet reicht man jedes Jahr seine Projekte ein auf die man Lust hat und Red Bull sucht ausschließlich 1-2 Projekte aus, die interessant sind. Inwieweit hier gefährliche Tricks mit dabei sind, das ist dem Fahrer selbst überlassen.
12. Wie ging es dann weiter, nachdem Du bei Red Bull unter Vertrag gegangen bist? Du hast deinen Lebensunterhalt ja nicht nur mit Sponsoring verdient, oder?
Nein, ich habe auch als Kitelehrer gearbeitet, war weltweit unterwegs und konnte nicht nur viel Erfahrungen als Lehrer sammeln, sondern auch ganz viele Destinationen entdecken und erkunden.
4 Jahre später hatte ich das Gefühl, dass der nächste Schritt wartet und bin von der Anfängerschulung auf die Fortgeschrittenen Schulung geswitcht.
13. In welchem Rahmen bietest Du denn Fortgeschrittenen Schulung an?
Mit Lonia, meiner Freundin und Mutter meines Sohnes habe ich Children of the Sea gegründet.
Children of the Sea ist momentan noch in der Aufbauphase. Letztes Jahr liefen die ersten Events und dieses Jahr sind 3 verschiedene Wege angedacht um Fortgeschrittenen Training zu buchen.
- Online Coaching mit der Möglichkeit Sprünge und neue Tricks zu lernen.
- Events vor Ort, größtenteils auf der Insel Fehmarn. Auf der einen Seite für Jugendliche, die “Academy” und für Erwachsene die “Community”. Auch Girl-Camps bieten wir an.
- Privatstunden, allerdings nur auf Anfrage.
14. Worum geht es im Schwerpunkt auf euren Events? Und was muss man an Können mitbringen um teilzunehmen?
Schwerpunkt der Events sind natürlich gemeinsam auf´s Wasser zu gehen, bestimmte Tricks zu lernen und oft auch möglichst hoch zu springen, je nachdem was auch von den Teilnehmern gewünscht ist. Auch Strapless fahren, Foilen oder Wingfoilen zum Beispiel kann auf unseren Events gelernt werden. Gecoacht wird mit bbTalkin Headsets und Slowmotion Videos für den besten und schnellst möglichen Lernerfolg. Ganz großes Ziel von uns ist natürlich alle Windhungrigen zu einer Community zusammen zu bringen.
Grundvoraussetzungen sind auf jeden Fall Höhelaufen und sicher fahren können.Außerdem sollten die Teilnehmer schon die ersten Sprünge gemacht haben. Material haben wir von vielen namhaften Firmen vor Ort und ist keine Voraussetzung.
15. Zum Schluss noch eine ganz typische Frage, die dir wahrscheinlich schon etliche Male gestellt worden ist. Was war der schönste Kitespot an dem du warst? Und gleich auch noch die Gegenfrage, welcher Kitespot hat dich enttäuscht oder deine Erwartungen nicht ganz erfüllt?
Schwierig zu definieren, da das sehr davon abhängt was man machen will. Für mich ist es, was Freestyle angeht auf jeden Fall Brasilien (Taiba), da die Lagune alles bietet um tolle Freestyle Sessions zu fahren. Falls ich in die Welle möchte und/oder meinen Fokus auf Strapless lege, dann sind die Kapverden (Ponta Preta) das perfekte Ziel für mich. Hier habe ich allerdings auch noch nicht ganz so viele Kitespots gesehen.
Ich habe wenige Spots gesehen, bei denen ich sagen würde, dass diese absolut unbrauchbar sind. Wenn ich nun einen nennen muss, dann wäre es wohl Sri Lanka. Den Spot habe ich mir anhand der Fotos einfach besser vorgestellt. Zwar ein schöner Spot, tolles Wetter, aber es war super böig und hat meine Vorstellungen im Gesamten einfach nicht ganz entsprochen.
Danke für den Talk lieber Linus und bis hoffentlich mal irgendwann, irgendwo auf dem Wasser! Ein weiterer Dank geht an Bastian von Kite Protect für die Abrundung eines wirklich interessanten Interviews!
Du willst mehr über Linus Erdmann erfahren? Dann schau gerne mal auf seiner Webseite* vorbei!