Kanada Aus dem Leben

Projekt 360: Um die Welt, zu dir selbst

Von Glück, Mut und Abenteuern. Und vom Verwirklichen eines großen Traumes.

Reisen bildet und macht selbstbewusster. Schon so oft habe ich diesen Satz gelesen und jedes Mal gedacht, ja, das stimmt. Aber es sind noch so viele andere Dinge, die ich auf Reisen gelernt habe, ganz besonders aber auf meiner ersten großen Solo-Reise nach Kanada. Seitdem kann ich mich nicht nur wunderbar ohne Stadtkarte in einer fremden Stadt zurechtfinden, die Himmelsrichtungen auch ohne Kompass bestimmen oder einschätzen wie spät es ist. Nein, ich bin offener geworden, habe materielle Ideale und Oberflächlichkeiten über Bord geworfen, habe gelernt den Moment zu leben und nicht so viel über „was wäre wenn“ nachzudenken.

Auch Igor von 7 Kontinente schreibt darüber, wie Reisen einen Menschen verändern. Bei seinem Projekt 360: Um die Welt und zu dir selbst berichten nun mehrere Blogger von ihren ganz persönlichen Erfahrungen auf Reisen. Ich bin eine davon, denn nichts hat mich so verändert wie meine erste Reise ganz auf mich alleine gestellt. Auch ich gehöre dazu, denn ich glaube direkt nach meinem Auslandsaufenthalt kam ich als völlig veränderter Mensch wieder – auch wenn diese Veränderung für meine Familie und Freunde vielleicht gar nicht so offensichtlich war. Heute ist die Veränderung vielleicht sichtbar, doch die wenigsten werden es auf meine Zeit in Kanada zurückführen. Eine Zeit die mich, auch heute nach 6 Jahren noch schmunzeln, träumen und lachen lässt. Kanada – eine Zeit, die mich mehr geprägt hat als ich es mir je hätte vorstellen können.

Aber nun mal von Anfang an

24 Jahre alt, das Studium in der Tasche und endlich die Chance eine Weile auszusteigen. Zu ehrgeizig waren meine Pläne nach dem Abitur, dass ich mir keine Verschnaufpause gegönnt habe – aber jetzt. Ein ganz großer Traum wird endlich wahr.

Das Abenteuer meines Lebens startete in Portland, USA. Hier arbeitete ich acht Wochen auf einer Pferdefarm gegen Kost und Logie. Ich ritt, putze und verhätschelte zwei Hengste und fünf Stuten.

Auslandsjahr in Salem, USA
Auslandsjahr in Salem, USA

Auf meinem anschließenden Roadtrip die Westküste von Florida hoch bis Toronto schnupperte ich das erste Mal diese „immer-unterwegs-sein-Luft„. Selten war ich länger als zwei bis drei Nächte an einem Ort, lebte aus dem Rucksack, schlief in teilweise riesigen Dorms um Geld zu sparen und war das erste Mal völlig auf mich allein gestellt. Falls dich meine Reiseroute durch die USA interessiert, schau doch mal hier vorbei.

Kanada, mein Glück!

In Toronto angekommen musste ich mir dringend einen Job suchen, mein Erspartes neigte sich so langsam dem Ende zu. Auch wenn ich recht sparsam war, vor allem New York hatte es ganz schön in sich und riss ein Loch in meine Reisekasse. Nachdem ich mich durch den Bürokratie-Wust gekämpft hatte und das Work & Travel Visum in der Tasche hatte ging also die Suche nach einem Job los, irgendein Job. Noch drei Monate zuvor wäre ich wahrscheinlich schon an der Verständigung  gescheitert. Zwar war der kanadische Dialekt noch etwas fremd, aber ich kam zurecht und meine Scheu überhaupt englisch zu sprechen hatte ich längst abgelegt. Ohne mich konzentrieren zu müssen nahm ich Gespräche am Nebentisch, im Radio oder auch im Fernseher wahr. Auch auf Englisch zu träumen war keine Seltenheit mehr.

Mein Auslandsjahr in Kanada hat mir so viel gebracht!

„Wenn man ins kalte Wasser gestoßen wird, muss man einfach schwimmen“

Nachdem ich das Visum nun also in der Tasche hatte, stand nun die Jobsuche auf dem Plan. Ich ging also mit meinem Lebenslauf los, graste sämtliche Restaurants, Supermärkte, Blumengeschäfte und was sonst noch auf dem Weg lag ab. Ich stellte mich vor und ließ, dort wo ich konnte/durfte meinen Lebenslauf.  Doch um ehrlich zu sein war es wohl eher aus Anstand als Interesse. De facto habe ich bis heute von keinem einzigen etwas gehört. Puh, das hatte ich mir alles etwas einfacher vorgestellt und mein Geld war nahezu aufgebraucht.

Möglichkeiten nutzen – Chancen ergreifen

Ich war mehr als glücklich und heilfroh, als sich eine Woche später eine Chance ergab, die ich sofort ergriffen habe. Jean-Pierre, den ich bei einem Meat & Greet von Couchsurfing kennengelernt habe, bot mir an, kostenlos in seinem Gästezimmer zu übernachten, sozusagen „Cochsurfing deluxe“. Außerdem bot er mir seine Hilfe an einen Job zu finden, allerdings in Montréal, in Toronto war er zu dem Zeitpunkt auch nur für ein Wochenende.

Mein Auslandsjahr in Kanada hat mir so viel gebracht!

Wahrscheinlich hört sich das ziemlich verrückt an, ein wildfremder Typ, aber ich war jung und naiv und Jean-Pierre sowieso vom anderen Ufer. Gesagt getan, 2 Tage später saß ich im Bus nach Montreal, fünf Tage später hatte ich einen Job. Jean-Pierre hatte mir geholfen auf dem Marché Jean-Talon einen Aushilfsjob für die Wochenenden zu finden. Der Marché Jean-Talon ist ein Bauernmarkt im Viertel Little Italy. Da ich jeden Tag frei hatte, war es für mich gleich ob ich Freitag bis Sonntag arbeiten musste oder unter der Woche. Ich hatte einen Job, wuhu!

Einziges Problem: in Montréal spricht man zwar sowohl Englisch als auch Französisch, aber ein Großteil, vor allem die ältere Generation spricht ausschließlich Französisch. Wer mich kennt, der weiß wie ungern ich in der Schule französisch hatte, und wie schlecht ich darin war. Mal abgesehen, dass ich einfach kein Sprachtalent bin, stand ich mit jeder meiner Französischlehrerinnen auf Kriegsfuß. „Doch wenn man ins kalte Wasser geworfen wird, muss man einfach schwimmen.“

Und so schwamm ich im kalten Wasser…

und es war sehr sehr kalt! Noch als wäre es gestern gewesen kann ich mich an meinen ersten Arbeitstag auf dem Jean-Talon erinnern. Total nervös und eingeschüchtert trat ich an den Stand und wartete, dass meine künftige Chefin mich einwies. Eine nette, schon etwas ältere Dame, die aber die pure Lebensfreude ausstrahlte. Meine Aufgabe  war es bis zum Herbst, zwei bis dreimal die Woche Äpfel zu verkaufen. Klingt verrückt, oder? Tatsächlich gab es 15 verschiedene Apfelsorten und bis zu diesem Tag war mir der enorme Unterschied nicht bewusst. Nach und nach lernte ich von den Kollegen die Unterschiede, Besonderheiten und welche Sorte sich für was am Besten eignet, glücklicherweise auf Englisch.

Immer wieder versuchte ich die Kunden mit einem netten englischen Sätzchen zu begrüßen, doch die meisten ignorierten mein Englisch und antworteten mit “Bonjour“. Wenn ich nicht weiter wusste, erklärte ich, dass ich aus Deutschland komme und gerade noch dabei  bin Französisch zu lernen. Die meisten gaben sich verständnisvoll, aber nicht alle. Aufgeben kam aber zu keiner Zeit in Frage. Schon am nächsten Wochenende klappte es besser, ich hatte einige Standardsätze mit Jean-Pierre zusammen gebastelt, die mir das Leben vorne an der Theke deutlich leichter machten.

Mein Auslandsjahr in Kanada hat mir so viel gebracht!

Der Innenbereich des Marché Jean Talon. Hinzu gehört außerdem im Sommer (Zwischen Mai und September) noch ein sehr großer Außenbereich

Mein Alltag in Montréal

Und schon 4 Wochen später ging ich wie selbstverständlich morgens gegen 5:30 Uhr zur U-Bahn Station, fuhr zur Arbeit und kaufte anschließend, wie die meisten Kanadier einen Großteil meiner Lebensmittel direkt auf dem Markt. Ich hatte nun seit 2 Wochen ein Zimmer bei einem jungen Pärchen gemietet, um Jean-Pierre wieder seinen nötigen Freiraum zu lassen. Sarah und Mat waren super Mitbewohner und Sarah, die nicht wie Mat zweisprachig aufgewachsen war, tat sich genauso schwer mit dem französisch wie ich – na gottseidank!

Mein Auslandsjahr in Kanada hat mir so viel gebracht!

Eines der befreiensten Gefühle war es tatsächlich nach 4 Monaten meinen Backpack auszupacken und meine Kleider in einen richtigen Schrank hängen zu können. Niemals hätte ich gedacht, dass es die kleinen Dinge sind, über die man sich so freuen kann. Auch ein eigenes Bett, eine Wohnung in der man sich frei bewegen kann, und eine Waschmaschine mit (warmem) Wasser waren für mich Dinge, die ich sehr vermisst habe.

Nachdem ich Montréal sehr gut kennengelernt habe, erkundete ich tageweise natürlich auch die umliegenden Städte wie beispielsweise Quebeck und Ottawa oder auch den einen oder anderen Nationalpark. Zu einem der Schönsten gehört für mich persönlich der Algonquin Provincial Parkein ca. 7725 km² großer Nationalpark in der kanadischen Provinz Ontario. Ihr wollt mehr über meine erste Solo-Reise wissen? Dann schaut euch doch meinen Beitrag „Auslandsjahr, Flüge gebucht – one way“ an.

Und was genau habe ich nun gelernt?

Alleine sein:

Eine wunderbare Eigenschaft, die ich heute noch gerne ab und an auslebe. Egal ob ein Tag am See oder ein Tag alleine in einer fremden Stadt, ich kann es in vollen Zügen genießen. Erst letzten Monat war ich alleine in Oslo unterwegs und musste unwillkürlich an Kanada denken.

Auf Menschen zugehen:

Wenn du alleine auf Reisen bist, kommt es in den verschiedensten Situationen dazu, dass du dich aus deinem Schneckenhäuschen begeben und auf fremde Menschen zugehst musst. Vor meiner Reise war das zwar auch schon kein Ding der Unmöglichkeit, aber heute fällt es mir deutlich leichter.

Offen sein und andere Meinungen akzeptieren:

Nicht jeder vertritt deine Meinung und deine Ansichten. Früher war ich ein ganz schöner Sturkopf und ließ keine andere Meinung zu. Heute lasse ich mich zwar immer noch nicht von allem überzeugen, aber ich lasse jedem sein Denken.

Minimalismus:

Nicht immer bin ich es, aber oft und vor allem dann wenn es darauf ankommt. Ich habe meinen Sinn für Materielles in vielen Bereichen um ein Vielfaches zurück geschraubt. Ich brauche weder ein dickes Auto noch immer die neusten Markenklamotten. Auch muss ich nicht zum „In Frisör“ direkt auf der Goethestrasse – wo sich die High Society von Frankfurt tummelt.

Zufrieden sein mit dem was man hat:

Ich habe gelernt mich über die kleinen Dinge zu freuen und einfach mit dem zufrieden zu sein was ich habe. Und wenn ich nicht mehr zufrieden bin, muss ich etwas ändern. Nörgeln und nichts dagegen tun ist gar nicht mein Ding!

Mein Auslandsjahr in Kanada hat mir so viel gebracht!

Aber meine allerschönste „Errungenschaft“ in meinem Monaten die ich unterwegs war, ist die Liebe zum Reisen!

Reisen heißt, viel sehen. Reisen heißt, mit offenen Augen durch die Welt gehen, die kleinen Wunder entdecken, fremde Kulturen kennenzulernen und Geschichten zu schreiben. Geschichten, die wir später gern erzählen, wie es Julia Engels so schön sagt. Reisen ist der rote Faden in meinem Leben!

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Solo-Reise, das erste Mal alleine unterweg, USA und Kanada

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Optimistische, sportbegeisterte & sture Trotzdem-Macherin. Seit ich 2012 das erste Mal meinen Rucksack gepackt habe, bin ich zum Reise-Suchti mutiert. Immer auf der Suche nach dem Neuen und Unbekannten.

8 Comments

  1. das kann ich nur bestätigen, dass Reisen einen selbstbewusster macht und generell prägt 🙂
    auf ein Auslandsahr hätte ich auch Lust gehabt, aber leider ist das bei meinem Studium nicht ganz so einfach … dennoch würde ich gegen Ende auch gerne die Möglichkeit wahrnehmen, ein Praktiukum im Ausland zu machen!

    Kanada klingt echt toll! nicht nur für das Auslandsjahr 🙂

    liebste Grüße auch,
    ❤ Tina von liebewasist.com
    Liebe was ist auf Instagram

  2. Huhu,

    was für ein wunderschöner Beitrag der sehr viel Weisheit enthält.
    Ich bewundere deinen Mut, ich könnte nicht in ferne Welten ziehen für so einen langen Zeitraum, denn ich liebe meinen Alltag dem ich nur kurz entfliehen möchte.

    Ich glaube so eine Reise prägt einen enorm und hilft einem sich selbst besser verstehen zu lernen und verändert einen auch.

    Lg
    Steffi

    • Liebe Steffi, ganz herzlichen Dank für deinen netten Kommentar. Ich mag meinen Alltag auch, dennoch lasse ich ihn gerne immer wieder hinter mir 🙂
      Und ja, an einer solchen Reise kann man sehr an sich Selbst wachsen.

      Viele liebe Grüße
      Isa

  3. Das muss eine unglaubliche Erfahrung gewesen sein. Man benötigt sehr viel Mut um diesen Schritt zu gehen. Ich selbst hätte mich das wohl nie getraut, weil ich eigentlich doch sehr schüchtern bin, was auf andere Menschen zugehen betrifft.
    Aber manchmal muss man auch seine Komfortzone verlassen. Toll das du das gemacht hast!

    Alles Liebe,
    Julia
    https://www.missfinnland.at

  4. ich finde es wahnsinnig spannend, so ein Auslandsjahr zu machen! persönlich hatte ich weder in der Schule noch im Studium Gelegegenheit dazu … allerdings später während der Arbeit, weil ich für ein Hilfsprojekt nach einige Wochen nach Nepal gehen durfte! eine super Erfahrung!

    alles Liebe,
    Eden

  5. eine richtig schöne Inspiration und Motivation auch auf Reisen zu gehen! ich war selber vor einigen Jahren in Nepal und dann auch in Indien und obwohl ich da schon älter war, habe ich unglaublich viel davon mitgenommen! eine tolle Erfahrung, die kein Alter kennt!

    alles Liebe,
    Eden

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